Das letzte Gefecht: Verteidigungsministerin greift Medien an

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Ein winziges Häkchen nur war es, das Deutschland seine dritte Verteidigungsministerin aller Zeiten kostete. Zart erblüht es kurz nach dem Jahreswechsel, ein Zacken, der öffentliche Aufmerksamkeit zeigte in einer Zeit, die traditionell schwer zu bewältigen ist für Gemeinsinnfunk wie private Profitheuschrecken. Die Bundesliga pausiert noch, Katar ist durch, die Pressestellen der Ministerien sind unbesetzt und die Klimabewegung macht verlängerte Weihnachtsferien in den lauschigen Bionadevierteln der Republik, in denen am Neujahrsmorgen kein Raketenstock auf der Straße liegt und kein ausgebranntes Auto von wilden Partys junger Männernder kündet. 

Christine Lambrecht, Sozialdemokratin, ehemals auch Justiz- und Sozialministerin, wusste um die gute Gelegenheit. Länger schon fühlte die gerade als Verteidigungsministernde eingesetzte 57-Jährige sich unter Wert verraten und verkauft, schlecht geredet und missachtet. Es mangelte ihr an Respekt, wo sie doch mitten Krieg eine Bundeswehr sanieren sollte, die sie in einem Zustand übernommen hatte, in dem die Truppe nicht einmal Kötschenbroda gegen die Tschechen halten könnte, kämen die auf den Einfall, einzufallen. 

Lambrecht stellte sich vors Brandenburger Tor und machte ihrem wunden Herzen in einer kleinen, improvisierten Rede Luft. Das mit dem Krieg sei schon schlimm. Aber auch eine gute Gelegenheit, viele neue, nette Leute kennenzulernen. Hinter ihr explodierten zünftig die ersten Böller. Vor den Bildschirmen draußen im Land, so zumindest wurde es später berichtet, erlitten Geflüchtete beim Anschauen posttraumatische Schocks.

Gegengewicht zu den Berlin-Krawallen

Das hätte sich natürlich versendet, wäre nicht ausgerechnet in Berlin ein Böllerwagen brennend und brandschatzend durch die heile Parallelwelt des heiligen Wirschaffendas gefahren. Lambrecht musste zusehen, wie ihr kleiner Wackelfilm zum Gegengewicht der großen Randale wurde. Ehe noch die Bundesregierung die Erstellung eines genauen Lagebildes zum Berlin-Krawall für die kommenden Monate und Jahre ankündigen konnte, übertraf die "Entrüstung" (Tagesschau) über die "Neujahrsbotschaft inmitten von Böllern" die Aufregung über die brutale Polizeigewalt gegen feiernde Jugendliche in der Hauptstadt.

Es war der letzte Knacks, den das Selbstbewusstsein der Christine Lambrecht abbekam. Die Frau, die stets treu gedient hatte, egal wo die Partei sie hinstellte, fühlte sich nun als Medienopfer. Hatte nicht gute Genossen in Kiew mit Sekt auf den Sieg angestoßen? War es nicht der Kanzler gewesen, der die Lieferung von Schwerenwaffen verweigert, verzögert und verdünnt hatte? Zählte denn ihre schnelle Entscheidung, bereits in den ersten Stunden des Krieges 5.000 Helme an die Verteidiger der Freiheit zu liefern, gar nichts mehr?

Menetekel aus der Aufmerksamkeitskurve

Der kleine Haken in der Aufmerksamkeitskurve, versehen mit ihrem Namen und kaum höher als ähnliche Zacken, die Kabinettskollegen wie Scholz, Lindner, Habeck und Baerbock hatten erleben dürfen, er wurde für die "Pannen-Ministerin" (Bild)  zum Menetekel. Lambrecht wollte nicht mehr und sie hatte noch nie gekonnt, sie hatte ja nicht einmal mehr gedurft, seit ihr der Bundeskanzler die Last der Entscheidungen, wofür die 100 Milliarden Zeitenwendegeld ausgegeben werden sollten, abgenommen hatte. 

Die "monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu", rechnet sie in ihrer Rücktrittserklärung mit all denen in den Redaktionen der Leitmedien ab, die immer gegen sie waren, obwohl der Kanzler doch hinter ihr stand.  Damit die "wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich" wieder "im Vordergrund" stehen könne, stelle sie ihr Amt zur Verfügung.

Erneut ein Medienopfer

Ein Medienopfer wie Anne Spiegel, die erste Ministerin, die Olaf Scholz verlor. Der erste SPD-Kanzler seit Gerhard Schröder liegt damit schon nach einem Jahr Amtszeit um einen Rücktritt vor Angela Merkels letzter Amtszeit, als einzig Familienministerin Franziska Giffey wegen ihrer wissenschaftlichen Arbeit üblen Nachstellungen aus dem öffentlichen Raum Tribut zollen musste. Wie recht die Helikoptermutter des Paketboten-Schutz-Gesetzes mit ihrem Vorwurf hat,  medial von Anfang an nur als Sack behandelt worden zu sein, den jeder schlagen darf, der sich an den Kanzler und seine engsten Mitministernden nicht herantraut, zeigte ausgerechnet die eigentlich für ihren Gemeinsinn bekannte "Tagesschau": Höhnisch ließ die amtliche deutsche Nachrichtensendung Christine Lambrecht in einer Eilmeldung (oben) als "Gina Lollobrigida" sterben.



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