Tamina-Florentine Zuch: Supertramp - Als blinde Passagierin mit dem Güterzug durch das Herz Amerikas

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Das Buch erschien 2018, aber gelesen hatte ich es erst später im Jahr 2021 während der Corona-Pandemie. Damals erreichte der Lockdown seine diversen Höhepunkte: Ausgangssperren, Beschränkungen in der Bewegungsfreiheit und nahezu zwei Jahre lang keine Auslandsreisen waren für mich die Folge. Dazu gehörte auch der Ausfall von diversen Festivals. Das Herzberg-Festival wurde online im Netz übertragen und ich verabredete mich mit ein paar Freunden online, so dass wir virtuell gemeinsam an dem virtuellen Herzberg-Festival teilnahmen – jeder bei sich zu hause per Webcam.

Auf dem virtuellen Herzberg-Festival gab es neben den musikalischen Auftritten auch einige Interviews und da sah und hörte ich Tamina-Florentine Zuch zum ersten Mal, als sie ihr Buch „Supertramp“ vorstellte. Sie schildert in Ihrem Buch eine Reise von der Ostküste Amerikas zur Westküste in der Tradition der Hobos. Hobo (= Homeless Boy) ist eine Art zu leben und bezeichnet die Tradition der Wanderarbeiter und Heimatlosen in Amerika, die sich durch das Aufspringen auf Güterzüge durch das Land fortbewegen. Die Hobos gibt es als Subkultur immer noch, werden aber kaum noch als solche wahrgenommen. Tamina-Florentine Zuch wollte in diese Subkultur eintauchen, indem sie das Leben der Hobos lebte und sich wie sie fortbewegte.

Ziele braucht man ja auch und so setzte sich Tamina-Florentine Zuch das Ziel als blinde Passagierin auf Zügen zu einem Hobo-Festival an der Westküste Amerikas zu reisen. Sie hat sich einigen Hobos angeschlossen und hat eine mehrwöchige Reise durch die USA angetreten, die sich in Ihrem Buch als Reisebericht niedergeschlagen hat. Was sie schildert ist eine Reise durch das Herz Amerikas, von Ost- zur Westküste nur durch das Aufspringen auf Züge. Auf Augenhöhe mit denjenigen, die durch das soziale Raster Amerikas gefallen sind und die nicht nur auf der Straße leben, sondern auch auf Güterzügen. Es sind die vielen Begegnungen und Einzelschicksale, die ihr Buch ausmachen. Jeder einzelne Charakter, dem sie begegnet, hat seine eigene Geschichte, die sie aufgreift und mitfühlend beschreibt.

Nicht unerwähnt soll auch bleiben, dass sie als Frau unterwegs ist, die meistens mit einem Haufen Kerle auf der Straße schläft oder auf Waggons in Begleitung anderer Hobos reist und mal pinkeln muss. Viele Ihrer Reisebegleiter stehen permanent unter Drogen, weißen diverse Verhaltensstörungen auf oder wahren viele Jahre im Knast. Es ist auch der Reisebericht einer Frau unter Männern. Ein Aspekt ihres Reiseberichts, der nicht unerwähnt bleiben sollte.

Für mich hat sich dieser Reisebericht in einem fortlaufendem Fluss mit Spannung von Anfang bis Ende durchlesen lassen. Ein tolles und empfehlenswertes Buch, das die Werte unserer Konsumgesellschaft und unsere Vorstellung von Freiheit und Sicherheit auf den Prüfstand stellt und nachdenklich stimmt. Und das kann ich mir jetzt nicht verkneifen: Das war die ideale Lockdown-Literatur, als ich auf die kleine Insel meines Homeoffice beschränkt war. Unabhängig von letzterer individuell geprägter Anmerkung: Dieses Buch ist allgemein sehr empfehlenswert, beide Daumen hoch. Ein Roadmovie aus dem realen Leben vom Feinsten.



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