Ewig klamme Staatskasse: Weshalb das Geld nie reicht

Keinem nackten Mann lässt sich in die Tasche fassen, doch der Staat als Geldverbraucher zahlt schon immer mit seinem nackten Namen.


Es ist der größte anzunehmende Unfall auf dem Weg zum Einkaufen: Die Brieftasche geht verloren und niemand findet sie so spontan gleich wieder wie früher. Dabei ist der Kühlschrank daheim leer, die Kinder schreien nach Essen, der Mann nach Bier. 

Eine Notlage! Der normale Bürgerin, das normale Bürger setzt sich nun in der Regel nicht an den Straßenrand, die Hand ausgestreckt und auf milde Gaben hoffend für das Geständnis "Why lie, need Beer". Er geht zur Bank, erklärt die Lage und kommt mit vollen Taschen und neuer Zuversicht wieder heraus.

Die Verfassungsbremse

Doch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes darf die Ampel darf nicht mehr nur "kein neues Geld mehr ausgeben", wie das frühere Nachrichtenmagazin Der Spiegel seine Lesenden sofort informiert hat. Das viel größere Problem liegt darin, dass die Bundesregierung dieses "neue Geld" nicht einmal mehr herstellen darf. 

Obwohl es nun nicht mehr nur um ein paar pausierende Bäcker geht, sondern "um den Kern der Industrie in Deutschland", wie Bundesklimaminister Robert Habeck die gigantische Größe des Problems umrissen hat, gab ihm seine Parteigenossin Katrin Göring-Eckhardt kontra. Die Thüringerin, eine der grünen Haushaltspezialistinnen, kündigte an, dass sich bei Rot-Grün-Gelb nun auch "über die anderen Fonds beugen" werde. Was verfassungsfeindlich zustande gekommen sei, fliege raus. Schuld am Niedergang Deutschlands werde dann wenigstens die Union gewesen sein.

Es ist Endspiel in Berlin. Mit unverkennbarer Freude am Leid der Parlamentskollegen hat CSU-Mann Alexander Dobrindt auf den regelbasierten Weg verwiesen, auf dem die Primaten der Politik immer Geld finden können, wenn sie nur genug wollen: Das als "Bundeswehrsondervermögen" (BWHF) bezeichnete Geld etwa "haben wir mit der Koalition zusammen geschaffen", erläuterte er bei "Anne Will" einem staunenden Publikum.

Die Methoden der Geldschöpfung

Das hat trotz häufig auch höherer Schulbildung meist noch nie von den Methoden der Geldschöpfung im politischen Raum gehört. In privaten Kreisen nicht nur von sächsischen Reichsbürgern und linken Umsturzträumern kursieren deshalb Mythen von angeblichen EZB-Großgeldquellen, vom japanischen Modell der uferlosen Endloskredite und von einer kostenlosen Banknotenproduktion mit Hilfe europäischer Schwarzgeldkonten. Die Realität allerdings, erklärt der aus Böhlen gebürtige Giralökonom Max Trebler, sei sehr viel prosaischer: "Betrachtet man es wissenschaftlich, entsteht gar kein Geld", sagt der Wissenschaftler, der seit mehr als 25 Jahren zu Fragen der Staatsfinanzierung auf Kosten künftiger Generationen forscht.

Max Trebler, der am An-Institut für angewandte Entropie lehrt, findet eine passende Analogie ausgerechnet im Kneipenalltag, wie er Älteren noch aus einer längst versunkenen Vergangenheit bekannt ist. "Will eine Regierung Ausgaben finanzieren, lässt im Grunde auf einem Deckel anschreiben." 

Der Unterschied zum einstigen Alltag in der Eck-Gastronomie liege darin, dass eine Regierung Gast und Kneiper, "meist ist sie sogar ihr bester Gast, wie man so sagt", hat Trebler anhand historischer Statistiken ermittelt. Der "Deckel" werde aus Gründen der Außenwirkung auf die Wählerinnen und Wähler "Haushalt" genannt, "das klingt für normale Menschen vertraut". Es habe dennoch kaum etwas mit einem privaten Haushalt zu tun.  

Kein gewöhnlicher Geldnutzer

"Wenn wir es uns genau anschauen, bestreitet der gewöhnliche Geldnutzer seine Ausgaben aus Guthaben oder aber aus Krediten, die er in Erwartung künftiger Guthaben leiht", zieht Max Trebler einen scharfen Trennstrich zum politischen Geldgebahren. Das zeichne sich vor allem dadurch aus, dass die hier genutzten Konten oft gar keine Guthaben aufweisen. "Sie werden gefüllt von Wünschen und politischen Absichten, so dass alles, was abgehoben wird, in dem Moment entsteht, in dem die Überweisung rausgeht." 

Der große Vorteil eines solchen Kontos, das nach dem Prinzip des Süßen Breis aus dem bekannten Märchen funktioniert, sie, dass nie überzogen werden könne. "So lange nichts da ist, ist immer etwas da." Im schlimmsten Fall handele es sich um einen Fehlbetrag, eine sogenannte Haushaltslücke, die dann im Nachhinein durch einen Nachtragshaushalt genannten Sonderzauber verdübelt werden. Die Staatskasse, sie ist Teil einer Quantenwelt: Immer leer und doch niemals.

Auch da sei kein Geld im Spiel, klärt Max Trebler auf. In der Praxis schaffe es der Staat, sich ohne Geld zu finanzieren, indem er seine bereits vollgeschriebenen Deckel als Sicherheit für neue Deckel hinterlege. Das Muster entspreche dem der berühmten Steuererklärung auf einem Bierdeckel, die seinerzeit als Vorschlag durchfiel, weil sie als viel zu unbürokratische Regelung galt und nicht nur Arbeitsplätze bei zehntausenden Steuerberatungen, sondern auch in vielen Verlagen bedrohte, die mit  halblegalen Tricks und Kniff dafür sorgen, dass dem Staat nicht alles Geld in die Hände fällt, auf das er ein Anrecht hätte. 

Der Wunsch wird Wille

Bei der staatlichen Geldschöpfung durch koordinierte Sprechakte funktioniere die simple Lösung aber am besten. "Eine Regierung beschließt nicht, dass sie soundso viele Milliarden haben wird, sie beschließt stattdessen, dass sie soundso viele Milliarden ausgeben wird." Dadurch sei das Geld legitimiert, auch wenn es nicht existiere. Der Staat zahle mit ungedeckten Wechseln, ausgestellt auf die Steuereinnahmen einer ungewissen Zukunft, und finde damit immer Gläubiger. "Er hat bis heute niemals auch nur ein Cent zurückgezahlt und noch nie einen Euro ausgegeben, der ihm selbst gehört." 

Es ist ein Wunder, das Max Trebler auch nach so vielen Jahren intensiver Beschäftigung noch fasziniert. Bei Lichte besehen finanziere der Staat seine Ausgaben nicht einmal mit Geld, das wirklich existiere. Auf den Deckeln der Finanzminister stünden die vermuteten und mit viel Fantasie von eigens eingestellten Experten prognostizierten Steuereinnahmen einer immer weiter in der Zukunft liegenden Zeit. 

"Der Staat gibt also Geld aus, das seine Bürgerinnen und Bürger erst sehr sehr viel später erarbeiten werden, wodurch dieses Geld bereits heute in Umlauf kommt." Das Risiko, dass es später gar nicht entstehen werde, werde damit glücklich umschifft, so könnten Projekte gestemmt werden, für die gar kein Geld da sei. 

Nachhaltige Deckelwirtschaft

Max benutzt den Begriff "Nachhaltigkeit", um das Phänomen zu beschreiben:Wer früher borge, zahle länger ab, da es sich beim Zahlungszeitraum jedoch um eine Ewigkeit handele, sei jeder darin befindliche Fristverlängerung minimal gemessen am Gesamtzeitraum. Da der Staat als Kreditnehmer klug mit den vorabgezogenen Zukunftswerten wirtschafte, entstünden dadurch erst die Werte, die die Zukunft wertvoll machen. Da er auf der anderen Seite sein eigener Gläubiger sei, stehe es ihm zudem frei, die gestapelten Deckel als Sicherheit zu behandeln. "Für uns Bürgerinnen und Bürger ist es ein Glück, dass wir dieses System haben, denn so wird sich auch aus der aktuell so angespannt scheinenden Finanzierungssituation ein Ausweg finden, der mit neuen Milliarden und Billionen gepflastert ist."



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1 comments
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So können wir verstehen, warum zwar die Arbeit immer effizienter wird durch verbesserte Produktionsmethoden, aber das Volk trotzdem verarmt. Denn die zinsen für eine solche Wirtschaft müssen ja die Menschen aufbringen. Und es ist klar, wer die Kosten der "Maßnahmen" während der Massenpsychose aufbringen wird müssen.

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