Die deutsche Dämmbremse: Wohnen muss warten
Beim Dämmen zieht die Bundesregierung die Notbremse: Das muss nun doch nicht, jedenfalls nicht gleich. |
Es sollte ein wichtiger Pflasterstein auf dem geplanten Holzweg in die Klimaneutralität werden. Deutschland durchdämmen, ganz egal, was es kostet, um die luftdichten 15 Millionen Wohngebäude anschließend nach den Vorgaben der neuen EU-Wohngebäuderichtlinie verpflichtend so ehrgeizig sanieren zu können, dass sie ab 2032 verpflichtend emissionsfrei umgebaut werden müssen, das war das Ziel, das die Bundesregierung Immobilienbesitzern ab 1. Januar kommenden Jahres ins Stammbuch geschrieben hatte. Dann kam das Bundesverfassungsgericht. Und versalzte die gesamte Suppe.
Weltrettung mit Wärmedurchgangskoeffizient
Bußgelder bis 50.000 Euro drohten jedem, der ein Haus erwarb, es anschließend aber versäumte, es innerhalb von zwei Jahren so zu sanieren, dass es der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) unter 0,24 W/m²K liegt, die Fassade entsprechend der gesetzlichen Anforderungen gedämmt wird und bis 2030 mindestens Effizienzklasse E und bis 2033 mindestens Effizienzklasse D erreicht wird.
Ein Vorhaben, von dem sich die Bundesregierung nun überraschend verabschiedet hat, ohne es aufzugeben. In den letzten Zügen des Wahlkampfes in Bayern und Hessen kündigte Klimaminister Robert Habeck an, die in der Gebäuderichtlinie angedrohten schärferen Energiestandards für Neubauten vorübergehend auszusetzen. Zu beunruhigend waren die Nachrichten aus dem Baumarkt, die zuletzt wie Brandgeschosse ein schlugen. Die ehrgeizigen wie auch die noch ehrgeizigeren Neubauziele verfehlt. Die Sanierung des Gesamtbestandes zum Erliegen gekommen.
Familien geben Baugenehmigungen zurück. Banken berichten von geplatzten Finanzierungen. Die großen Wohnungskonzerne sagen Neubauvorhaben ab, weil eine kostendeckende Miete bei 17 Euro pro Quadratmeter liegen müsste. Die gierigen kommunalen Unternehmen drehen an der Mietschraube, um noch den letzten Cent für die öffentlichen Eigentümer aus dem ohnehin schon inflationsgeplagten Mietern zu pressen.
Der Feind will den Menschen nur Angst machen
Bundesbauministerin Klara Geywitz flankierte die Bekanntmachung mit der Mitteilung, dass sie jetzt auch gegen die in Berlin und Brüssel geplanten Energiesparvorschriften für unsanierte ältere Gebäude sei. Verfluchter Wärmekoeffizienzdurchgang! Solche verpflichtenden Effizienzstandards, ausgedacht offenbar von skrupellosen Menschenfeinden, machten Eigentümern von unsanierten Häusern nur "Angst, dass sie zehntausende Euro investieren müssten", sagt die SPD-Politikerin mit Blick auf die desaströsen Umfragewerte ihrer Partei nicht nur in Hessen und Bayern, sondern auch im Bund.
Klimakatastrophe hin, Weltuntergang her. Sie jedenfalls werde die geplanten neuen, beinharten Klimastandards kippen. Ist eine Situation, wie sie ist, muss die Welt eben mal warten. Bei der Gelegenheit, gerade schaut keiner hin, werden auch die neuen EU-Abgasnormen zur Beendigung der Fahrzeugproduktion in der Gemeinschaft gleich mit abgeräumt.
Spitzentreffen als Chefsache
Die Rückendeckung des Bundeskanzlers haben die beiden Minister, deren Abschied vom ehrgeizigen deutschen Klimaschutzplan noch vor zwei, drei Wochen nicht zu erahnen war. Schon vor dem Beginn des - nach einem Vorschlag der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) nach dem Vorbild der historischen Benzingipfel von 1934 und 2011 als "Wohnungsbaugipfel" bezeichneten - Spitzentreffens hatte Bundeskanzler Olaf Scholz deutlich gemacht, dass die Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem bei ihm selbstverständlich ebenso Chefsache ist wie alles andere. Demonstrativ pocht Scholz "auf bessere Bedingungen für den Bau bezahlbarer Wohnungen in Deutschland".
Wie immer sollen dafür Vorschriften vereinfacht und vereinheitlicht werden, auch das in der früheren DDR so erfolgreiche serielle Bauen lobte der Kanzler bei einer Wahlkampfkundgebung in Nürnberg als Weg, Bauen "noch billiger" (Scholz) zu machen. Statt des klima- und gemeinwohlschädlichen Einfamilienhauses schwebt dem Kanzler eine Renaissance der prächtigen Wohnblocksiedlungen vor, die in den 60er, 70er und 80er Jahren Drei-Zimmer-Küche-Bad mit fließend warmem Wasser zum neuen Wohnstandard für Millionen einfacher Menschen in Ost und West machten.
Schöne neue Betonwüsten
Quadratisch, gut und praktischerweise einfach an die vom Gesetzgeber geforderten Fernwärmenetze anschließbar, versprechen die neuen Betonwüsten nach einem "grundlegenden Umdenken bei Komfort und Stromverbrauch", wie es der Architekt und Vordenker Werner Sobek nennt, eine Verdichtung des Zusammenlebens, das den glücklichen Mietern viele Wege ersparen wird. Knallt der "Wohnungsbau-Wumms" richtig, sind die drei Millionen zuletzt Zugezogenen schon in wenigen Jahren untergebracht.
Selbst der vergleichsweise kleinen, verlogenen und wirtschaftlich schwachen DDR war es zwischen 1971 und 1989 gelungen, 1,2 Millionen formschöne und zweckmäßige Wohnungen neu zu bauen, während gleichzeitig nur einige zehntausend Altbauten zu Ruinen verfielen. Deutschland, fünfmal größer und dank der höchsten Steuereinnahmen, die jemals eine deutsche Regierung verbuchen konnte, finanziell auf Rosen gebettet, kann das, was die sozialistischen Planwirtschaftler in 18 jahren erreichten, deshalb leicht in dreieinhalb schaffen.
Der Startschuss, mit Rücksicht auf die Zeiten per rotem Buzzer-Knopf ausgelöst, ist gefallen.
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Ich habe manchmal den Eindruck, die gesamte Politik ist nur zur Überbrückung da, bis die Einwohnerzahlen auf Deagel Forcast 2025 eingependelt sind. Anders kann ich mir die derzeitige Baupolitik nicht erklären. Bei dem Wohnraumbedarf plant man keine Sanierungen oder Verdichtungen, da plant man neue Stadtteile und ganze Städte.
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